4u2 - For you too - Roland Brunner |
Internationale
Zusammenarbeit für Gewaltfreiheit
Das European Network for
Civil Peace Services EN.CPS
von
Janne Poort - van Eeden
Auch im Feld der
Friedensdienste europäischer Länder spiegelt sich Europas kulturelle Vielfalt.
In vielen Ländern gibt es aktive Organisationen für Zivilen Friedensdienst.
Sie wurden jeweils durch einzelne Friedensarbeiter oder Friedensgruppen gegründet,
die von einem grossen Bedarf für ziviles Friedenschaffen oder zivile
Konflikt-Transformation ausgingen. Friedens-Teams werden trainiert und in
Konfliktregionen geschickt, und es haben Kampagnen und Lobby-Aktivitäten
begonnen, um öffentliche und politische Aufmerksamkeit auf die gewaltfreie
Konfliktbearbeitung zu lenken. Hinzu kommt, dass wissenschaftliche Studien zu
Friedens- und Konfliktthemen für mehr Wissen über die hochentwickelte Arbeit
von Friedensdiensten und ziviler Konfliktbearbeitung sorgen. Diese Zivilen
Friedensdienste entwickeln sich im jeweiligen Land auf unterschiedlichen Wegen
und in eigener Weise; in den verschiedenen Ländern werden deshalb
unterschiedliche Aspekte der Arbeit in den Vordergrund gestellt. In Österreich,
Deutschland und Schweden arbeiten Friedensorganisationen zusammen, um einen Pool
von erfahrenen und kompetenten Zivilisten zu schaffen, die in Konfliktregionen tätig
sein können. Sie führen Trainings durch, senden Friedensfachkräfte in
entsprechende Projekte und schärfen das Bewusstsein von Öffentlichkeit und
Politik, um eine breite Basis für die ZFD-Ausbildung zu erreichen. In der
Schweiz liegt das Schwergewicht auf der Beeinflussung der öffentlichen Meinung
durch Vorbereitung eines Referendums, in dem die Schweizer Bürgerinnen und Bürger
für ‘Sicherheit durch Solidarität anstatt durch Verteidigung’ stimmen können.
Forschung und Training sind die Bereiche, die in Dänemark betont werden. Und in
Grossbritannien, Ungarn, Norwegen und den Niederlanden steht die
Friedenserziehung im Vordergrund. Es werden Curricula für das Training von
LehrerInnen und Friedens-Teams entwickelt, und ein Grossteil der Arbeit richtet
sich darauf, Friedenserziehung in das staatliche und private Bildungssystem zu
integrieren. Dies schliesst vielfältige Formen der Öffentlichkeitsarbeit. In
Frankreich und Italien geht es primär um die Verbreitung der Gedanken der
gewaltfreien Konfliktbearbeitung. Mehrere dieser Gruppen
haben Kontakte zu ihren Schwesterorganisationen in anderen europäischen Ländern.
So konnten die niederländischen Burger Fredens Teams Nederland Nutzen aus den
Erfahrungen des schwedischen Peace Teams Forums und des deutschen forumsZFD
ziehen, als es darum ging, ein Curriculum für die Weiterbildung professioneller
FriedensarbeiterInnen zu entwickeln. Aber insgesamt sind diese Beziehungen noch
eher zufällig und von geringem Umfang. Dennoch wird inzwischen überall
erkannt, dass die Arbeit für Konflikt-Transformation nicht an den nationalen
Grenzen Halt machen kann. Denn die Länder Europas wachsen langsam, aber
unaufhaltsam zu einer Einheit zusammen. Europa ist nicht länger bloss ein
Kontinent oder ein vages Ideal, sondern eine ökonomische und militärische
Realität. Die reiche Vielfalt an Sprachen und Kulturen macht die Kooperation
auf der gesellschaftlichen Ebene zwar etwas schwieriger, dafür aber umso
spannender. Durch die anhaltende Kooperation, besonders im militärischen
Bereich, wird zugleich die Dringlichkeit europäischer Ziviler Friedensdienste
offenkundig.
Der erste Schritt für
eine Zusammenarbeit der Zivilen Friedensdienste erfolgte im Juli 1997, als das
forumZFD ein internationales Treffen europäischer Friedensdienste ausrichtete.
Interessierte TeilnehmerInnen kamen aus Frankreich, Deutschland, den
Niederlanden und der Schweiz. Sie diskutierten den Sinn und die Chancen einer
Organisierung der Friedensdienste auf übernationaler Ebene. Die Beteiligten
lernten einander kennen und entdeckten dabei ebenso Gemeinsamkeiten wie Möglichkeiten
der Zusammenarbeit. Übereinstimmungen ergaben sich dadurch, dass
Obwohl wir alle
nach diesem Treffen von der Wichtigkeit einer solchen Kooperation überzeugt
waren, trat die europäische Dimension nach unserer Heimkehr erst einmal wieder
in den Hintergrund, weil uns die wartenden Aufgaben dringlicher zu sein
schienen. Glücklicherweise luden einige der hartnäckig europäisch Denkenden,
wie sie im forumZFD zu finden sind, zu einer weiteren Zusammenkunft Europäischer
Friedens-Teams und Initiativen für gewaltfreie Konfliktbearbeitung ein und
machten damit den anderen ihre früheren Absichten wieder bewusst. Dieses zweite
vorbereitende Treffen fand im Mai 1998 ebenfalls in Köln statt und zwar mit
vergrösserter Teilnehmer-Zahl. Mehrere Gruppen hatten neue Delegierte
geschickt, die einander noch nicht begegnet waren. Wieder ergab sich daraus eine
ausführliche Runde über die Ziele und jüngsten Aktivitäten jeder Initiative.
Es stellte sich heraus, dass viele von ihnen in Projekten in Ex-Jugoslawien
engagiert waren, jedoch bisher keinen Nutzen aus den Erfahrungen der anderen
gezogen hatten - wegen fehlender Koordination und Zusammenarbeit. Dann wurden Themen für
weiteres Erforschen und Diskutieren gesammelt:
Diesmal ging es nicht
um die Frage: Macht es Sinn, als Europäische Zivile Friedensdienste zu
kooperieren? Darüber bestand bereits Einmütigkeit. Jetzt ging es um folgende
Punkte: Wie können wir die europäische Kooperation konkret umsetzen? Welche
Organisationsform brauchen wir dafür: ein Europäisches Forum?, eine Allgemeine
Versammlung? oder ein Netzwerk? Dies waren die Antworten:
Die Pläne waren
hervorragend und ziemlich konkret; aber ‘zwischen Träumen und praktischem Tun
türmen sich oft Widerstände auf’. Das Folge-Treffen in den Niederlanden im
Februar 1999 war nur schwach besucht, es kamen nur Repräsentanten aus drei Ländern.
Viele der anderen Organisationen gaben wichtige Aufgaben für ihr Fernbleiben
an, drückten aber zugleich ihr Interesse an einer Fortsetzung der gemeinsamen
Arbeit aus. Die wenigen Anwesenden fühlten sich nicht zuversichtlich genug,
bereits zu diesem Zeitpunkt das Netzwerk ins Leben zu rufen und erst recht
nicht, über den Netzwerk-Namen zu entscheiden. Gleichwohl waren sie überzeugt,
in der eingeschlagenen Richtung weiterarbeiten zu sollen. Gemäss den Kölner
Beschlüssen wurden die Vorbereitungen für die Haager Friedenskonferenz
fortgesetzt. Um sich der Unterstützung der anderen Gruppen zu vergewissern,
wurde zudem ein Fragebogen an alle europäischen Kontaktstellen versandt, der
Aufschluss über ihre Bereitschaft geben sollte, sich auf die vorgesehene
Plattform einzulassen.
Nachdem endgültig
festgelegt war, unsere Zusammenarbeit ‘European Network for Civil Peace
Services / EN.CPS’ zu nennen, trat das Netzwerk während der Haager
Friedenskonferenz im Mai 1999 zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Wir
hatten uns vorher auf ‘civil’ in unserem Namen anstelle von ‘civilian’
verständigt, weil das Wort ‘civilian’ eher als nicht-militärisch
verstanden wird, was wir vermeiden wollten. Denn Zivile Friedensdienste / Civil
Peace Services sind nicht nur als nicht-militärische Dienste zu definieren,
denn sie wollen mehr: ZFD/CPS wollen beitragen zu einer Zivilgesellschaft, in
der Konflikte gewaltfrei gelöst werden. Natürlich bleibt es den einzelnen
(nationalen) Gruppierungen unbenommen, ihre Friedens-Teams auch ‘civilian’
zu nennen, wenn sie das - etwa aus strategischen Gründen, um sich gegenüber
dem Militär abzugrenzen - für nötig halten. Während des zweiten
EN.CPS-Treffens im Oktober 1999 in Salzburg wurden dann konkrete Verabredungen
getroffen. EN.CPS soll zwar ein loses Netzwerk und ohne eigene Politik sein, hat
jedoch die Aufgabe, allen Teilhabenden (nicht ‘Mitgliedern’) behilflich zu
sein, ihre eigene Politik zu verwirklichen. Eine praktische Projekt-Kooperation
ist zur Zeit aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht möglich. Die
teilhabenden Gruppierungen verpflichten sich, verlässliche Partner zu sein und
auf interne Anfragen zügig zu reagieren. Jede nationale Gruppierung bestimmt
eine Kontaktperson für das Netzwerk. Sie oder er antworten auf Anfragen, geben
alle drei Monate zusammenfassende Informationen weiter und nehmen an
Netzwerk-Zusammenkünften teil. Die Internet-Seite der ‘Gruppe Schweiz ohne
Armee’ (GSoA) gibt Aufschluss über EN.CPS. Die internen
Dienstleistungen des Netzwerks entsprechen den Bedürfnissen und Möglichkeiten
der teilhabenden Initiativen, als solche sind zur Zeit definiert:
Was auch immer wir
intern tun, die externen Entwicklungen fordern zu einem starken Netzwerk
mit klarer Stimme heraus. Die Expertise in den einzelnen nationalen
Gruppierungen und die Synergie-Effekte unserer europäischen Kooperation werden
EN.CPS zu einer starken europäischen Experten-Organisation für zivile
Konfliktbearbeitung und Peace Building machen. Zu diesen externen Entwicklungen
gehören u.a.:
Um den Zusammenhalt der
EN.CPS zu vertiefen, ist es wichtig, neben der internen Vernetzung und dem
Erfahrungsaustausch auch gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln. Dadurch dass wir
Konferenzen und Seminare veranstalten, geben wir den teilhabenden Initiativen
Empowerment und bringen zugleich den Friedens-Team-Gedanken voran. Es gibt
bereits Pläne für zwei solcher Veranstaltungen. Eine ist ein Workshop in
Berlin im Mai 2000, wo wir mit Blick auf künftige internationale Teams gründlich
über einen Verhaltens-Kodex für zivile Konfliktbearbeitung nachdenken wollen.
Die andere ist eine gesamteuropäische Konferenz über unsere Arbeit in Brüssel,
im Herzen der Europäischen Gemeinschaft, um die Idee der
Konflikt-Transformation als zivilgesellschaftliche Aufgabe voranzutreiben. Wir stehen als EN.CPS
vor der grossen Herausforderung, in allen Ländern Europas Zivile
Friedensdienste einzurichten - als reale gewaltfreie Alternative im Umgang mit
Konflikten.
Die Europäische Union
entwickelt derzeit eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (Common
Foreign and Security Policy / CFSP). In den Diskussionen um die CFSP liegt das
Schwergewicht noch immer bei Verteidigungs- und Militärfragen. Andererseits
wird Europas langfristige Sicherheit künftig sicher weniger vom Militär abhängen,
als vielmehr von seiner Fähigkeit, politische und ökonomische Stabilität zu fördern.
Methoden zur langfristigen Gewalt-Vorbeugung und Konfliktarbeit müssen Teil der
europäischen Sicherheitspolitik werden. EN.CPS operiert im Feld
vieler nationenübergreifender Organisationen. Obwohl es nur ein lockeres
Netzwerk ist, besitzt es ein grosses Potential. Es kann im Rahmen eines
Konflikt-Managements die Funktion eines fachkundigen Dialog-Partners auf der
Suche nach gewaltfreien Alternativen haben und gleichermassen zur Förderung des
Wissens um kommunale, basisbezogene Problemlösungen und um aktive Bürgerbeteiligung
beitragen. Nach den Balkankriegen in den 90er Jahren und der NATO-Intervention
mit ihren Bombardements des Kosovo, die wohl einer Niederlage gleichkommt, ist
die Zeit gekommen, aktiv diese Rolle zu übernehmen. Nach allem, was geschehen
ist, fängt die Öffentlichkeit an zu begreifen, dass Gewalt nicht die Antwort
sein kann, und ist geneigter als früher, auf Alternativen zu hören. EN.CPS
muss sich deshalb mehr in der Lobbyarbeit engagieren, um die Ideen von
langfristiger Konflikttransformation und von Friedens-Konsolidierung stärker
ins allgemeine Bewusstsein zu bringen. Inzwischen wird in
einer Reihe europäischer Institutionen nach Wegen gesucht, dem Umschlagen von
Konflikten in offene Gewalt vorzubeugen. Der verstorbene Südtiroler
EU-Parlamentarier der Grünen Alexander Langer hat die Bildung eines Europäischen
Zivilen Friedens-Corps angeregt und seine Grüne Partei hat ihn dabei tatkräftig
unterstützt. Das Europa-Parlament hat inzwischen sogar einer Resolution
zugestimmt, nach der die Realisierbarkeit erforscht werden soll. Ein solches
Friedens-Corps wird als eine Alternative zu diplomatischen Aktivitäten oder
Militäreinsätzen angesehen und soll bei Gewaltausbrüchen kurzzeitig
intervenieren können. Wir im Netzwerk halten ein solches Civilian Peace Corps für
eine mögliche Ergänzung der Arbeit unserer Friedens-Teams. An der
Diskussion um dieses Friedens-Corps wollen wir vom Netzwerk uns mit lauter und
klarer Stimme beteiligen, denn wir haben in sie breite theoretische und
praktische Erfahrungen einzubringen. Bei der komplizierten
Lobbyarbeit in Brüssel wird das Europäische Peace Building Liaison Office (EPLO)
behilflich sein, das auf Anregung des Quäker-Rats für europäische
Angelegenheiten entstanden ist. Das EPLO ist als eine Agentur konzipiert, die
Dialog und Kooperation zwischen der EU und den internationalen
Nichtregierungs-Organisationen vermitteln soll. EPLO soll für ein breites
Spektrum offizieller und zivilgesellschaftlicher Akteure in Friedensfragen da
sein und auf diese Weise die kollektiven Fähigkeiten vermehren, mit friedlichen
Mitteln und zugleich wirksam zur Vorbeugung oder Lösung gewaltsamer Konflikte
beizutragen. Unser Netzwerk EN.CPS ist Mitglied der Arbeitsgruppe, die das
Office ins Leben gerufen hat. Auf der globalen Ebene
unterstützt EN.CPS die Vorarbeiten der amerikanischen Organisation ‘Peaceworkers’,
die den Gedanken einer Internationalen gewaltfreien Friedens-Truppe / Peace
Force vorantreibt. Diese Peace Force soll nach den bisherigen Planungen “eine
internationale, mulitethnische, ständig einsatzbereite Organisation für
Friedensteams sein, ausgebildet in gewaltfreier Strategie und Taktik. Sie soll
dazu dienen, in Regionen potentieller Gewalt oder bei akuten, heftigen
Konflikten in durchdachter Weise Gewaltausbrüche zu verhindern und Raum zu
schaffen für eine friedliche Konfliktbeilegung.’ Das Netzwerk will am Aufbau
einer solchen Peace Force als Ergänzung zu den langfristiger arbeitenden
zivilen Friedens-Teams mitwirken.
Österreichische
Friedensdienste, das französische Comitee de Gestion du Service de Paix, das
forumZFD, die deutsche Helsinki Citizens Assembly, Ohne Rüstung Leben /
Deutschland, die ungarische Stiftung für Menschenrechte und Friedenserziehung,
das norwegische Friedens-Zentrum, Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, die
niederländische Stiftung Burger Vredes Teams.
Pax Christi Österreich,
dem Friedensbüro Salzburg / Österreich, dem österreichischen Zweig des Versöhnungsbunds,
dem schwedischen Friedens-Team Forum, dem französischen Mouvement pour une
Alternative Nonviolante, dem französischen Comitee de Coordination pour le
Service Civil, Peace Brigades International / Deutschland, der deutschen
Stiftung Die Schwelle, dem Friedensmuseum Nürnberg, Balkan Peace Teams /
Deutschland, der georgischen Gesellschaft für Menschenrechte, Responding to
Conflict / England, dem Dänischen Zentrum für Konfliktlösung und dem Zentrum
für Frieden Osijek / Kroatien. Übersetzt aus dem
Englischen von Konrad Tempel |
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