Moma 9.99 InhaltsverzeichnisDie Alten kommen
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Kurt Seifert | Editorial |
Agostino Tarabusi | TAGEBUCH Welche Alterspolitik? |
Karl Aeschbach Felix Mattmüller Marianne de Mestral |
Eine ganz unglaubliche
Freiheit Ein Redaktionsgespräch |
François Höpflinger | Alterspolitik Alter: individuell und heterogen |
Kurt Seifert | Die Chancen des Alters
nutzen Zum Nationalen Forschungsprogramm "Alter" |
Peter Sigerist | Gewerkschaften und
RentnerInnen Am Beispiel des SGB |
Albert Wettstein | Hartnäckige
Altersmythen Es braucht SeniorInnenlisten! |
Kurt Seifert | Eine Generation, die nicht
vergessen sein soll Zu einer Studie über die MigrantInnen, die ins Rentenalter kommen |
Maja Wicki | Was ist Zeit? Sozialpolitische Gedanken zum Millenniumswechsel |
Ueli Mäder | Friedlicher Übergang zur
Pensionierung Perspektiven einer sozialen Alterspolitik |
DEBATTE: Wachstum / Friedenspolitik | |
Immanuel Nepomuk | Wachstum für wen? Die Kommission für Konjunkturfragen weiss es |
Stefan Indermühle | Aufbau einer aktiven
Friedenspolitik Eine Tagung zum Thema im September |
Editorial | Die Alten kommen! Erinnern Sie sich an den alten Pipe in Yves Yersins Film "Kleine Fluchten"? Der Bauernknecht kauft sich von der ersten AHV-Rente ein Velotöff, um seinen Traum von Freiheit zu verwirklichen. Dank der materiellen Sicherheit erlangt er schliesslich Autonomie und findet seine Würde wieder. In ihrer Rede zur Eröffnung des gegenwärtigen Internationalen Jahres der älteren Menschen verwendete Bundespräsidentin Ruth Dreifuss diese Filmfigur, um den Gedanken von der Chance "später Freiheiten" im Alter zu entwickeln. Von einer ähnlichen Erfahrung, aber nicht nur im Film, sondern in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, berichtet Felix Mattmüller von den Grauen PantherInnen aus Basel im MOMA-Gespräch (Seiten 5 10): Dort kommen vor allem Menschen zusammen, die während ihres beruflich aktiven Lebens keine Chance hatten, sich für ihre eigenen Interessen zu wehren: Sie hätten sonst ihre eigene Existenz aufs Spiel gesetzt. Jetzt, wo sie keinem Arbeitgeber mehr rechenschaftspflichtig sind, können sie ihre "Altersfreiheit" nutzen, um für das einzutreten, was ihnen wirklich wichtig ist im Leben. Die materiellen Grundlagen für solche Freiheiten sind nicht allzu üppig. Die Forderung nach einer wirklich existenzsichernden Rente ist heute nicht einmal für Linke ein Thema. Doch immerhin: Dank dem Kampf der ArbeiterInnenbewegung und einer gewissen Kompromissbereitschaft des Bürgertums nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die AHV verwirklicht werden. Das Wirtschaftswachstum ermöglichte den steten Ausbau der Sozialwerke. Heute befinden wir uns an einem Wendepunkt: Die für soziale Fragen sensiblen Kräfte in diesem Land sind zur Verteidigung des Bestehenden gefordert. Darüber hinaus bleibt wenig Kraft für Visionen, wie soziale Sicherheit in einem globalisierten Kontext aussehen könnte. Eine an Gerechtigkeit und Solidarität orientierte Politik hat sich nicht nur für die materielle Dimension zu interessieren, sondern ebenso für die spirituelle Seite des Lebens. Dies trifft auch, und vielleicht ganz besonders, bei den Fragen des Alters und Altwerdens im System des Spätkapitalismus zu wie es einmal hiess. Die sich immer deutlicher bemerkbar machende Bewegung der Alten ist ein Zeichen dafür: Sie wollten nicht nur behandelt werden, sondern selber handeln, formulierte der Präsident des bürgerlichen Schweizerischen Senioren- und Rentner-Verbandes kürzlich in einem Interview. Das Gefühl, an den Rand gestellt, nicht mehr gebraucht zu werden, trifft nämlich den ehemaligen Büezer ebenso wie den früheren führenden Bundesbeamten. Die SVP versucht bislang mit einigem Geschick, die Unzufriedenheit vieler älterer Menschen für sich nutzbar zu machen. Das kann und muss sich ändern! Dann nämlich, wenn die Linke wer auch immer sich dazu zählen mag begreift, dass die Suche nach einem Lebenssinn, der nicht (mehr) ausschliesslich über die Lohnarbeit vermittelt ist, an die Wurzel unserer heutigen Existenzweise geht, also im besten Sinne radikal ist. Dieses Heft liefert, wie ich hoffe, wichtige Beiträge zu einer ausstehenden Debatte. Kurt Seifert |
© MOMA 8031 Zürich |